Freitag, 13. November 2009

Ich komme gleich wieder.

Ich komme gleich wieder.

Du liegst neben mir. So geordnet dein glattes Haar ist, so wirr sind die Wörter, die du dir gerade ausmalst. Auf dem Nachttisch sehe ich unscharf einen Stein, den du aus einem Urlaub in deiner Kindheit mitbrachtest. Jetzt liegt ebendieser Stein grau in deinem Schlafzimmer. Du hast ihn aus deiner Vergangenheit mitgebracht in dein Leben, und nie wieder daraus entfernt. 
Ebenfalls unscharf sehe ich hinaus. Es herrscht ein Grau, das nur im Herbst den ganzen Tag über dasselbe sein kann. Selbst bei Nieseln oder Regen sieht es immer trocken aus. Das grünbraune Überleben des Sommers hebt sich umso dunkler vor dem Hintergrund ab. 
Auch deine Augen liegen in den moorschwarzen Schattentälern, die da sind, weil du mit dem Gesicht dem Licht abgeneigt liegst. 

Wir lernten uns an einem höchst idealen Ort kennen. Die Situation war geradezu phantastisch. 
Beide waren wir jung und getrieben von unserer brennenden Leidenschaft. Wir hatten das Alter, in dem man Dinge tut. Wir dachten selten nach. Wir übten uns darin, wichtige Entscheidungen erst im allerletzten Moment zu fällen. Wir brachen aus Grenzen aus, die es in Wirklichkeit schon gar nicht mehr gab. Wir waren zwei Träumende auf der Suche nach der Unsterblichkeit. Glück und Paradies mussten wir nicht mehr suchen, das hatten wir längst gefunden, ganz nebenbei scheinbar, als wäre es am Straßenrand gelegen, wie müde Hunde im italienischen Sommer am Straßenrand liegen. 
Wenn du an mich denkst, an mich wie ich damals war, dann kommt dir das Bild jener Kinder vor Augen, die an festlichen Anlässen in ihren Miniaturtrachten vor dem Lokal stehen und sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis drehen. 

Der Moment, in dem wir uns begegneten, war also wie folgt: 
Du warst in die Stadt gefahren am Morgen jenes Tages, um dich für eine Stelle vorzustellen. Es war deine Gelegenheit: Du würdest, im Falle eines erfolgreichen Gespräches, in schönster Umgebung arbeiten. Am Fenster, da die Natur und die Weiter dich immer schon in eine selige Stimmung geleiteten, mit entzückenden Personen um dich herum, denen es an Biss wie auch an Einfühlsamkeit und Bildung nicht mangelte, und mit deinem eigenen Bereich, der leicht abgeschieden von den anderen, aber dennoch darin enthalten war. Irgendwie hattest du schon im Gefühl, dass du eine Zusage bekommen würdest. Du entschlossest dich den ganzen Tag in der Stadt zu verbringen. Du schlendertest durch die Straßen und warst froh um die neuen Bilder, die Abwechslung in den immerwährenden Anblick des Hofes brachten, wo du vorübergehend ein Zimmer bekommen hattest. Als es Abend war, gingst du zum Abschluss an den Kanal, um die Spiegelung der untergehenden Sonne darin betrachten zu können. Ohne an etwas Besonderes zu denken, gingst du, und aus dem überhellen Horizont löste sich langsam meine Silhouette. Ich trat auf dich zu. In meiner Hand befanden sich die Schlüssel meiner gerade erstandenen Wohnung, die mein Herz lächelnd machte. In diesem perfekten Augenblick begegneten wir uns. 
Ich war dir vom ersten Moment an sympathisch. Du erlogst eine süß, dumme Geschichte, deren du dich heute etwas schämst, um dir von mir helfen zu lassen. 

Du hast mich so sehr geliebt, und du liebst mich immer noch. 

Jetzt liegst du da. Du denkst an diese Geschichte. Noch viel wirrer und ausführlicher sind deine Vorstellungen. Ich erhebe mich um das Licht auszuschalten. Es ist eine Stehlampe mit metallischem Glanz. Mit einem Drehknopf und einem Schalter wird das Raumlicht und die kleine Leselampe betätigt. 
Jetzt möchte ich mit dir die Ewigkeit verbringen und dich nie wieder loslassen. Du möchtest mich ebenfalls nie wieder entbehren. 
Plötzlich musst du noch etwas erledigen. Du kommst gleich wieder! Solange du kurz weg bist, blicke ich dein geordnetes Haar an. Du bist nämlich nie wirklich weg, das weiß ich schon. Du bewegst dich nur in deinen Gedanken. Du hast sehr, sehr schöne Gedanken. Du kommst gleich wieder. Denkst du und gehst.

Sonntag, 8. November 2009

Ohne Titel I

es ist darüber gegossen
über mich und fließt
und streichelt

geschwommenes haar
in luft und reisig
ist sehr zart

gesprossener Stern
brennt
und scheint mir.

Montag, 2. November 2009

Die Taube

steinkörnig hockt
nichtrührig sitzt
hellauf sehnt
D I E   T A U B E   H O R C H T
aber blauer Berg
und blauer Wald
und mein Heim
fließen weiter
spielt spinnt schmeichelt

selbstfremd wacht
herzstumm ruht
zeitgrau starrt
D I E   T A U B E   H O R C H T